Dezember 2022/ Januar, Februar 2023

Um mich herum ist Krieg. Täglich neue Nachrichten. Aus unterschiedlichen Ländern und aus verschiedenen Gründen. Kaum zu überhören und kaum zu übersehen. Ob in Medien oder ganz nah...es wird aufgerüstet. Geschossen und getötet und geflüchtet. Gestern und heute – in der Vergangenheit und wohl auch in der Zukunft. Durch meinen Wohnort fährt eine Kolonne...Richtung Bahnhof. Das hat mir Angst gemacht, war der Grund zu diesem „Bild“. Ich bin 1946 geboren. Als noch sehr klein war, fuhr eine Kolonne Panzer durch den Ort wo ich damals wohnte. Ich erinnere mich an den Lärm und an die Gesichter der durchfahrenden Soldaten. Ich erinnere mich an das Gefühl der „Angst“.

Warum ich diese Arbeit mache, werde ich gefragt. „Mach doch was Schönes“ ! Das funktioniert aber so nicht. In meinem Kopf kreisen Bilder und Texte und unübersehbar und unüberhörbar nagen sie an mir. Die Verarbeitung über Textiles hilft mir nicht laut zu schreien und Nein zu sagen. Habe ich mich immer geweigert, diese Kriegsthemen an mich ran zu lassen, so haben die letzten Monate und Wochen mich gezwungenermaßen mit dem Thema konfrontiert. Der Krieg ist ganz nah an mich herangekommen, durch die täglichen Nachrichten, Recherchen, Zufälle und Entdeckungen,  verstärkte Übungsgeräusche und Bewegungen  am nahen Truppenübungsplatz. Ja, klar ich könnte mich zurückziehen in mein Wolkenkuckucksheim, hinterm Kachelofen schöne Literatur lesen und so tun, als wäre alles heil und ok … auch das wäre eine Option. Es würde nichts ändern. Das Eine nicht und das andere nicht.

 

So krame ich in meiner Familiengeschichte. Und es entsteht eine kleine Geschichte. Nur wer hinter die Kulissen schaut kann erahnen, wie schwer es für die Menschen war in dieser Zeit zu leben.

 

All das Gejaule und Gejammer in der heutigen Zeit erscheinen respektlos und überheblich, wenn man in der Geschichte zurück schaut. Zufällig musste ich einige Filmauszüge mit ansehen, all das Grauen und die Not der Menschen. Tagelang lief ich vor einigen Jahren durch den jüdischen Friedhof in Weißensee/Berlin. Beschäftigte mich mit den Symbolen und Hintergründen. Als ich ein Bild davon zusammensetzte, mit Fotos, Stoff und Filz, musste ich es unfertig lassen. ... ich konnte es nicht zu Ende bringen. Es war mir zu nah gekommen. Als ich es dann in der Ausstellung zeigte erlebte ich die Wirkung. Betrachter waren sehr interessiert. Es gab intensive Gespräche und Erkenntnisse.  Zeigen macht also Sinn, berührt ... vielleicht hilft das „betroffen“ sein, die eigene Situation im Heute besser zu schätzen. Auch dafür ist das „neue“ Bild vom Krieg entstanden. Zur Mahnung.

 

Den Herbst/Winter 22 treibe ich mich in Farbgruben herum schleppe Dreck nach Hause und mörsere die Erdklumpen zu feinem Pulver. Das Färben der Stoffe zeigt sich als schwierig. Die Ergebnisse sind  nicht sonderlich spektakulär.  Meinen ursprünglichen Gedankengang verwerfe ich und verwende statt 12 Quadrate 25 x 25 cm  nur 6 Quadrate. Dann finde ich einen  Tagebuchtext in einem alten Poesiealbum. Von einem 19 jährigen Soldaten 1940 geschrieben.  Ich zündele und brenne Stoffteile in Form,  kombiniere und verwerfe und es ergibt sich Stück für Stück eine Geschichte ... "Verbrannte Erde". Drei Monate habe ich mit dieser Arbeit verbracht. Viele, viele Stunden.

Als der Ukraine-Krieg begann bewegte sich eine  Militärkollone Richtung Bahnhof .... Erschreckend, eine Kindheitserinnerung. Ursache für diese Arbeit.  Angstbewältigung?